Eine der wichtigsten Aufgaben einer Kosten- und Leistungsrechnung innerhalb eines Unternehmens ist die Preiskalkulationen für die erbrachten Leistungen. Grundlage sind alle erfassten Informationen aus der Buchhaltung, der Warenwirtschaft sowie weiterer Abteilungen. Diese Berechnungen führst du natürlich mit dem Ziel durch, kostendeckende und gewinnbringende Preise zu erzielen. Die Vollkostenrechnung liefert dafür die besten Voraussetzungen.
Die Definition des Begriffes Vollkostenrechnung
Als Vollkostenrechnung werden in der Kostenrechnung all die Verfahren bezeichnet, bei denen alle anfallenden Kosten (Vollkosten) auf die einzelnen Kostenträger, also die Produkte oder Leistungen, verrechnet werden. Im Gegensatz zur Vollkostenrechnung steht die Teilkostenrechnung, die nicht alle Kosten berücksichtigt.
Die Vollkostenrechnung
- schafft damit die Grundlage für die Preiskalkulation
- ermöglicht den Vergleich zwischen geplanten und tatsächlich aufgebrachten Aufwendungen mit dem Ziel einer ständigen Kostenkontrolle
- erlaubt Erfolgsrechnungen für einzelne Produkte oder Warengruppen
- unterstützt die Planung des Produktionsprogrammes
- zeigt Lösungen bei Kapazitätskonflikten.
Die Bestandteile der Vollkostenrechnung
Die Vollkostenrechnung kannst du in drei verschiedenen Rechnungsschritten bzw. Verfahren durchführen:
- Die Kostenartenrechnung, welche die Entscheidung zwischen den Gemeinkosten und den Einzelkosten trifft
- Die Kostenstellenrechnung, die sich mit der Verteilung der angefallenen Gemeinkosten auf die einzelnen Kostenstellen beschäftigt
- Die Kostenträgerrechnung, welche die zu übernehmenden Gemeinkosten und die angefallenen Einzelkosten jedem einzelnen Kostenträger zuordnet.
In einem Schema lässt sich die Vollkostenrechnung wie folgt darstellen:
Kostenartenrechnung | Einzelkosten | Gemeinkosten | ||
↓ | Aufteilung auf Kostenstellen | |||
Kostenstellenrechnung | Gemeinkosten | |||
↓ | Aufteilung auf Kostenträger | |||
Kostenträgerrechnung | Einzelkosten | + | Gemeinkosten | |
= Selbstkosten |
Vollkostenrechnung einfach erklärt
Der betriebliche Einsatz der Vollkostenrechnung lässt sich an einem Beispiel am besten erklären.
Die Kosten- und Leistungsrechnung eines metallbearbeitenden Unternehmens, welches Gehäuse für Motoren fertigt und außerdem in Lohnfertigung Fräsaufträge übernimmt, hat für die Preiskalkulation eines Gehäuses diese Daten erfasst:
- Rohteil für 1 Gehäuse: 10,00 €
- Bestellkosten je 100 Stück: 100,00 €
- Lohnkosten Fräsen je Stück: 3,50 €
- Lohnkosten Bohren je Stück: 1,20 €
- Konservierung (Rostschutz) je Stück: 0,50 €
- Kosten Materialhaltung 1 Jahr: 30.000 €
- Energiekosten Fertigung je kWh: 0,25 €
- Maschinenkostensatz je Stunde: 25,00 €
- Sonstige Gemeinkosten der Fertigung je Monat: 2.000 €
- Monatliche Mietkosten für die Werkhalle: 2.500 €
- Verwaltungskosten je Monat: 10.000 €
Die Kostenträgerrechnung ordnet die Kosten zuerst:
Einzelkosten | Euro | Gemeinkosten | Euro |
---|---|---|---|
Materialeinzelkosten | Materialgemeinkosten | ||
Rohteil für 1 Gehäuse | 10,00 | Kosten Materialhaltung / Jahr | 30.000 |
Bestellkosten je Stück | 1,00 | ||
Fertigungskosten | Gemeinkosten Fertigung | ||
Fräsen | 3,50 | Energiekosten 300.000 kWh/Jahr | 75.000 |
Bohren | 1,20 | Sonstige Kosten / Monat | 2.000 |
Konservierung | 0,50 | Miete | 2.500 |
Maschineneinsatz 20 min/Stück | 5,00 | ||
Gemeinkosten Verwaltung / Monat | 10.000 |
Die hier aufgezeigten Kosten zeigen dir nur einen Ausschnitt der angefallenen Kosten – vollständig ist diese Auflistung natürlich nicht. Deutlich wird hier, dass zu diesem Zeitpunkt die Gemeinkosten nicht genau einem Produkt zugeordnet werden können.
Es ist Aufgabe der Kostenstellenrechnung, die Aufteilung auf genau die Kostenstellen vorzunehmen, die am betrieblichen Leistungsprozess beteiligt sind. Zuerst legt sie daher zwei Hauptkostenstellen in der Fertigung fest: die Fertigung der Gehäuse und die Lohnfertigung. Die Gemeinkosten laufen in der Regel auf Hilfskostenstellen auf. Hier im Beispiel könnten diese Hilfs- oder auch Nebenkostenstellen als „Energiekosten“, „Miete“ oder auch „Verwaltung“ bezeichnet werden. Außerdem werden die vorgegebenen Daten so umgerechnet, dass ein einheitlicher Zeitraum betrachtet wird. Die Jahreskosten im Beispiel werden also auf den Monat heruntergebrochen.
Die Umlage erfolgt nach definierten Schlüsseln:
Gemeinkosten | Umlageschlüssel | Kostenstelle Gehäusefertigung | Kostenstelle Lohnfertigung |
---|---|---|---|
Materialhaltung | anteilig nach benötigter Lagerfläche, Kosten je Monat 2.500 € | 70 Prozent = 1.750 € | 30 Prozent = 750 € |
Energiekosten | Verbrauch in der Fertigung: 250.000 kWh = 62.500 € / Jahr, 5.200 € / Monat
Anteilig nach Umsatz |
60 Prozent = 3.120 € | 40 Prozent = 2.080 € |
Miete Fertigungshalle | anteilig nach genutzten qm | 2.000 qm = 2.000 € | 500 qm = 500 € |
Sonstige Kosten / Monat | anteilig nach geleisteten Arbeitsstunden / Monat | 1.600 h = 1.600 € | 640 h = 640 € |
Verwaltung | Anteilig nach Umsatz | 60 Prozent = 6.000 € | 40 Prozent = 4.000 € |
Die Umlage der Gemeinkosten auf die Hauptkostenstellen erfolgt in der Kosten- und Leistungsrechnung mit Hilfe eines Betriebsabrechnungsbogens (BAB). Dieser berücksichtigt auch einen eventuellen Leistungsaustausch zwischen den einzelnen Hilfskostenstellen, etwa den Energieverbrauch in der Kostenstelle „Materialhaltung“. In unserem sehr vereinfachten Beispiel vernachlässigen wir diese gegenseitige Leistungsabgabe. Im Ergebnis des BAB sind alle angefallenen Gemeinkosten auf die Hauptkostenstellen verteilt.
Die Kostenträgerrechnung ist nun in der Lage, die Preiskalkulation unter Berücksichtigung aller Kosten durchzuführen. In der Vollkostenrechnung wird dann oft das Schema für eine Zuschlagskostenkalkulation verwendet. Hier siehst du diese gleich für unser Beispiel:
Zuschlagskalkulation je bearbeitetem Stück Gehäuse
Materialeinzelkosten | |||
Rohteil für 1 Gehäuse | 10,00 € | ||
Bestellkosten je Stück | 1,00 € | ||
Zwischensumme | 11,00 € | ||
Materialgemeinkosten | 1.750 € | ||
bei einer Fertigung von 1.600 Stück im Monat entstehen 17.600 € Einzelkosten, 1.750 € davon sind | 10 % | 1,09 € | |
Fertigungseinzelkosten | |||
Fräsen | 3,50 € | ||
Bohren | 1,20 € | ||
Konservierung | 0,50 € | ||
Maschineneinsatz 20 min / Stück | 5,00 € | 10,20 € | |
Fertigungsgemeinkosten | 6.720 € | ||
Energiekosten 3.120 € | |||
Miete Fertigungshalle 2.000 € | |||
Sonstige Kosten / Monat 1.600 € | |||
bei einer Fertigung von 1.600 Stück im Monat entstehen 16.320 € Einzelkosten, 6.720 € davon sind | 41 % | 4,20 € | |
Herstellkosten | 26,49 € | ||
Verwaltungsgemeinkosten | 6.000 € | ||
bei einer Fertigung von 1.600 Stück in Monat entstehen Herstellkosten von 42.390 € | 14 % | 3,75 € | |
Selbstkosten | 30,24 € |
Die Vor- und Nachteile der Vollkostenrechnung
Die Vorteile einer Vollkostenrechnung liegen in der vollständigen Verteilung aller anfallenden Kosten auf die erstellte Leistungseinheit. Sie bietet dir einen guten Überblick über alle Produktionskosten und gibt Auskunft darüber, wo sie genau entstehen. Damit lassen sich Abweichungen von den Planungen leicht aufspüren, so dass du auch schnell die notwendigen Maßnahmen ergreifen kannst. Diese Art der Kostenrechnung im betrieblichen Rechnungswesen dient daher gut als Basis für mittel- und langfristige Unternehmensentscheidungen.
In der Praxis kann die Vollkostenrechnung immer nur nachträglich angewendet werden, da sie auf den tatsächlichen Daten der Finanzbuchhaltung und der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung beruht. Damit dient sie eher der Kontrolle der Preise, eine aktive Steuerung kurzfristiger Abläufe ist so nicht möglich. Nachteilig ist auch, dass immer eine sehr gute Auslastung der Produktion unterstellt wird. Die Kalkulation wird falsch, wenn die Maschinen nicht wie erwartet ausgelastet sind oder gar stillstehen. Auch die Umlageschlüssel der Gemeinkosten stehen in der Kritik. Oft werden einmal getroffene Annahmen viele Monate ohne Prüfung weiter verwendet, wie etwa die genutzte Quadratmeterzahl im Lager aus unserem Beispiel oben.