Nutzwertanalyse: Definition, Kriterien & Beispiele

Entscheidungen fundiert zu treffen ist nicht immer einfach, wenn nicht nur Fakten und Zahlen, sondern auch emotionale Gedanken eine Rolle spielen. Die Nutzwertanalyse ist eine Methode, die bei der Entscheidungsfindung in Unternehmen hilft. Sie sorgt für eine gute Nachvollziehbarkeit und berücksichtigt nicht nur harte Fakten, sondern auch emotionale Beweggründe.

Die Definition der Nutzwertanalyse

Wichtige Entscheidungen zu treffen gehört in Unternehmen und Organisationen zum Alltag. Oft sind verschiedene Abteilungen betroffen, so dass untereinander eine gute Abstimmung erforderlich ist. Im Prozess der Entscheidungsfindung können dabei verschiedene Wege eingeschlagen werden. Die Nutzwertanalyse, die auch als Punktwertverfahren oder Scoring-Model bekannt ist, ist eine nicht-monetäre Methode, mit der Entscheidungen zwischen zwei oder mehreren komplexen Handlungsalternativen getroffen werden. Grundlage für die Nutzwertanalyse sind verschiedene qualitative und quantitative Kriterien, Bedingungen oder Ziele. Für jedes einzelne Kriterium wird dazu ein Nutzwert (Score) ermittelt, die Entscheidung fällt für die Alternative mit dem höchsten Punktwert. So bewertet die Analyse vor allem die Effektivität der Sachverhalte sowie ihre Ergebnisse, während eine Kosten-Nutzen-Analyse sich auf die Effizienz der Handlungsalternativen beschränkt.

Wann lohnt es sich, eine Nutzwertanalyse zu erstellen?

Situationen, in denen verschiedene Alternativen beurteilt werden müssen, gibt es im Unternehmen häufig. Oft reicht es nicht aus, die Zahlen und Fakten zu beurteilen, der Erfolg des Unternehmens ist auch von sogenannten „weichen Faktoren“ abhängig. Dazu zählen das eigene Image in der Öffentlichkeit, das Ansehen von Marken und Philosophien, die Verkaufsstrategien, die Zielgruppen (also die Kunden selbst) und viele andere. Hier spielt die Nutzwertanalyse ihre Vorteile aus. Sie wird eingesetzt, wenn

  • es um den besten Standort für eine Fertigung oder für den Unternehmenssitz geht
  • Entscheidungen im Produktsortiment getroffen werden müssen
  • geeignetes Personal aus mehreren Bewerbern ausgewählt werden soll
  • Investitionen beurteilt werden müssen
  • Lieferanten oder andere Geschäftspartner bewertet werden.

Das Vorgehen bei der Nutzwertanalyse

Bei einer Entscheidungsfindung kannst du schrittweise vorgehen:

  1. Wähle die verschiedenen Handlungsalternativen, zwischen denen du entscheiden sollst, aus.
  2. Lege die Kriterien fest, nach denen du entscheiden willst. Das können bis zu 10 verschiedene Punkte sein.
  3. Lege für die Bewertungskriterien eine Gewichtung fest. Wenn du Prozentwerte nutzt, müssen sie insgesamt einen Wert von 100 Prozent erreichen.
  4. Definiere deinen Bewertungsmaßstab. Lege also wie bei einer Benotung fest, wie viele Punkte du für eine sehr gute, gute oder zufriedenstellende Beurteilung vergibst.
  5. Beurteile nun und bewerte die Kriterien.
  6. Addiere die Einzelgewichtungen je Alternative. Die Entscheidung sollte für die Variante erfolgen, die die meisten Punkte erreicht hat.
Vorgehen bei der Nutzwertanalyse
Vorgehen bei der Nutzwertanalyse

Hier ein konkretes Beispiel für eine Nutzwertanalyse:

Ein Hersteller von Kindermöbeln beauftragte junge Designer, Kinderschreibtische zu entwerfen. Bei den Schreibtischen kamen zwei Modelle in die engere Wahl. Anschließend wurden dafür die Kosten, die erwarteten Erlöse und der voraussichtliche Absatz ermittelt. Für die Geschäftsführung soll nun eine Entscheidungsvorlage erarbeitet werden, welcher Schreibtisch in die Serienfertigung geht:

Schreibtisch 1 Schreibtisch 2
Beschreibung und Eigenschaften
  • Holzmöbel
  • verstellbar für eine Nutzung bis zu einer Körpergröße von 150cm (Altersgruppe 4-12 Jahre),
  • umweltfreundlich farblos lackiert
  • Holzmöbel
  • nicht verstellbar
  • geeignet für die Altersgruppe von 8-12 Jahren,
  • umweltfreundlich farbig lackiert in zwei Varianten (rot und blau)
Selbstkosten 350 € 280 €
Verkaufspreis 400 € 370 €
Erwartete Verkaufsstückzahlen 1.500 Stück im Jahr 1.000 Stück im Jahr

Eine Kosten-Nutzen-Analyse käme zu diesem Ergebnis:

Schreibtisch 1 Schreibtisch 2
Erlöse im Jahr 1.500 Stück * 400 € = 600.000 € 1.000 Stück * 370 € = 370.000 €
Kosten im Jahr 1.500 Stück * 350 € = 525.000 € 1.000 Stück * 280 € = 280.000 €
Gewinnbeitrag im Jahr 75.000 € 90.000 €

Die Variante 2 leistet einen höheren Beitrag am Gewinn. Sie ist damit effizienter als die Version 1 und würde dann in Serie gehen.

Doch die Geschäftsführung möchte auch das Image des Unternehmens und seiner Produkte bei der Fertigungsentscheidung berücksichtigen. Bei seinen Kunden ist es nicht nur für nachhaltige Produktion und für umweltverträgliche Produkte bekannt, sondern auch für innovative Ideen. Daher fordert sie eine Nutzwertanalyse. Die Verantwortlichen definieren eine Gewichtung verschiedener Kriterien und vergeben Punkte von 1-5 für die beiden Schreibtischentwürfe (wobei die 5 hier die beste Bewertung ist):

Kriterium Gewichtung Schreibtisch 1 Schreibtisch 2
Punkte Punkte gewichtet Punkte Punkte gewichtet
Gewinnbeitrag im Jahr 40 % 3 1,2 4 1,6
Nachhaltigkeit 20 % 5 1 3 0,6
Umweltverträglichkeit des Materials 20 % 4 0,8 4 0,8
Innovationsgrad 20 % 5 1 2 0,4
Summe 100 % 4 3,4

Die Entscheidung fällt jetzt zugunsten der Variante 1. Trotz des geringeren Gewinnanteils wird ein höherer Punktwert erreicht. Das Produkt ist deutlich innovativer und erzielt einen höheren Absatz – vor allem deshalb, weil es mitwachsen kann und so auch einen größeren Kundenkreis finden wird.

Vor- und Nachteile der Nutzwertanalyse

Der große Vorteil der Nutzwertanalyse ist das Einbeziehen emotionaler Faktoren. Somit lassen sich individuelle Ziele des Unternehmens besser umsetzen. Sehr gute Kundenbeziehungen, Umweltverträglichkeit, Nachhaltigkeit und Innovationsvorsprung gegenüber der Konkurrenz sind hier nur beispielhaft genannt. Mit der Nutzwertanalyse können so verschiedene Alternativen gut beurteilt werden. Die einzelnen Kriterien werden genau definiert, auch der Handlungsspielraum für die Bewertungen wird schriftlich festgehalten. Die gesamte Analyse wird so dokumentiert. Das verbessert die Nachvollziehbarkeit und die Transparenz.

Die Beurteilung verschiedener Kriterien ist natürlich immer subjektiv. Sie hängt von den Erfahrungen und den persönlichen Präferenzen der Beteiligten ab. Das muss als Nachteil der Nutzwertanalyse genannt werden. Auch die Gewichtung der Kriterien wird relativ willkürlich festgelegt. Unternehmensziele und bestimmte Strategien werden zwar berücksichtigt, aber die prozentuale Verteilung auf die einzelnen Faktoren beeinflusst das Ergebnis entscheidend. Kritisch wird außerdem die Auswahl der verschiedenen Alternativen angesehen. In der Vorbereitung der Nutzwertanalyse werden in der Regel andere Möglichkeiten bereits ausgeschlossen und werden so gar nicht mehr einbezogen. Auch in unserem Beispiel wurde eine Vorauswahl getroffen – die anderen Entwürfe werden der Geschäftsleitung nicht vorgestellt. Nicht zuletzt ist diese Art der Analyse zeitaufwändig und verursacht damit höhere Kosten. Daten für eine Kosten-Nutzen-Analyse kommen meist direkt aus dem Rechnungswesen oder aus dem Controlling. Die Nutzwertanalyse braucht Informationen aus der Kundenbetreuung, aus dem Einkauf und aus anderen Abteilungen. Sie erfordert also eine gute Zusammenarbeit verschiedener Unternehmensbereiche und muss gut vorbereitet werden.