Der Handel mit Gebraucht- und Neufahrzeugen ist ein Kernstück der europäischen Wirtschaft. Für Hersteller, Händler, Logistik und Finanzdienstleister entstehen jedes Jahr Milliardenumsätze – und für viele Privatverkäufer ist der Export die attraktivste Exit-Option. Gleichzeitig zieht die Politik die Schrauben an, vor allem bei Fahrzeugen ohne gültige Hauptuntersuchung (HU, umgangssprachlich „TÜV“). Dieser Beitrag ordnet den Markt mit belastbaren Kennzahlen ein, erklärt die Spielregeln – und zeigt, was sich ab 2026 beim Verkauf ohne TÜV ändert.
Markt in Zahlen: Warum Autoexport in Europa so groß ist
- Fahrzeugbestand: In der EU sind insgesamt weit über 250 Mio. Pkw registriert; in Deutschland allein knapp 50 Mio.. Der Großteil ist potenzielles Angebot für Binnenhandel und Export.
- Fahrzeugalter: Der EU-weite Pkw-Bestand ist im Schnitt rund 12 Jahre alt. Das stützt den Export, weil viele Märkte außerhalb der EU ältere, solide Fahrzeuge nachfragen.
- Außenhandel: Europa exportiert Autos in einem hohen zweistelligen bis dreistelligen Milliardenbereich pro Jahr. Auch wenn die Stückzahlen schwanken, bleiben die Werte robust – getrieben von Premiummarken und gut erhaltenen Gebrauchten.
- Deutschland als Drehscheibe: Deutschlands Hersteller liefern jedes Jahr mehrere Millionen Neuwagen ins Ausland. Zusätzlich werden Millionen Gebrauchtwagen veräußert, ein erheblicher Teil davon grenzüberschreitend.
- Antriebsmix: Der Anteil elektrifizierter Fahrzeuge (BEV/Plug-in) am Export steigt, doch der Volumenträger im Gebrauchtsegment bleibt weiterhin der Verbrenner (Benzin/Diesel) – insbesondere in Märkten, in denen Ladeinfrastruktur und Strompreise den BEV-Einsatz bremsen.
- Preisrealitäten: Für 5–10 Jahre alte Fahrzeuge mit lückenloser Historie liegen die Exportpreise in vielen Zielmärkten spürbar über den Inlandsgeboten. Umgekehrt werden fahruntaugliche oder „Bastlerfahrzeuge“ ohne Nachweise deutlich abgeschlagen gehandelt.
Für das Controlling bedeutet das: Export ist kein Nebenkanal, sondern ein strategischer Absatz- und Werterückgewinnungshebel – mit direkten Effekten auf Marge, Cash Conversion und Restwertrisiken.
Was heute gilt: Exportpraxis 2025 in Kurzform
Die folgenden Punkte bilden den aktuellen Standard in Deutschland und – mit Abweichungen – in der EU ab:
- HU/TÜV für Exportkennzeichen Für ein Ausfuhr- oder Überführungskennzeichen ist regelmäßig eine gültige HU erforderlich. Ohne HU gibt es kein reguläres Exportkennzeichen. Kurzzeitkennzeichen sind nur für eng begrenzte Zwecke vorgesehen und ersetzen kein Exportkennzeichen.
- Zulassungs- & Eigentumsnachweise Benötigt werden Zulassungsbescheinigung Teil I & II, ein valider Kaufvertrag/Rechnung (mit vollständigen Angaben) sowie eine eVB (Versicherungsbestätigung) für das Ausfuhrkennzeichen.
- Zoll & Steuern Innerhalb der EU entfallen Zölle. Beim Export in Drittländer sind Zollanmeldung, ggf. Ursprungsnachweise und zielmarktspezifische Einfuhrabgaben zu beachten. Für Unternehmen sind USt.-Behandlung (Ausfuhrlieferung), Nachweise und Fristen zentral.
- Technische Nachweise Schon heute prüfen viele Zielmärkte die Verkehrstauglichkeit. Eine frische HU oder ein neutraler Zustandsbericht (z. B. DEKRA/TÜV-Gutachten) erhöht die Zulassungschancen und den Wiederverkaufswert.
Ab 2026: Geplante Verschärfungen beim Verkauf/Export „ohne TÜV“
Die EU arbeitet seit geraumer Zeit an einer Modernisierung des Altfahrzeug-Rahmens (End-of-Life Vehicles) und an mehr Nachverfolgbarkeit im Fahrzeuglebenszyklus. Ziel ist, die grauen Zonen zwischen „gebrauchsfähiges Fahrzeug“ und „Abfall/Schrottfahrzeug“ zu schließen. Für die Praxis zeichnen sich folgende Leitplanken ab:
- Kein einfacher Verkauf ohne Nachweis Ab 2026 soll der Verkauf/Export ohne gültige HU nur noch dann zulässig sein, wenn ein neutrales technisches Gutachten bestätigt, dass es sich nicht um ein Altfahrzeug am Lebensende handelt. Der pauschale Hinweis „Bastlerfahrzeug, wie gesehen“ wird voraussichtlich nicht mehr ausreichen.
- Klare Einstufungskriterien Einheitliche Kriterien (z. B. Vollständigkeit, Reparierbarkeit, sicherheitsrelevante Mängel) sollen definieren, wann ein Fahrzeug als Alt- bzw. Abfallfahrzeug gilt – mit direkten Folgen: Was als Abfall eingestuft wird, fällt unter die Abfallverbringungsregeln und ist nicht frei als Gebrauchtwagen exportierbar.
- Dokumentations- und Mitführpflichten Nachweise (Gutachten, Identifikations-/Eigentumsdokumente, ggf. digitale Fahrzeugakte) sollen zoll- und zulassungsfähig aufbereitet werden. Das reduziert Missbrauch und beschleunigt Kontrollen.
- Digitale Register & Nachverfolgbarkeit Erwartet werden digitalere Prozesse (Register/Verknüpfung mit Zulassungsdaten), um Herkunft, Status und Verbleib besser zu belegen – eine gute Nachricht für professionelle Händler, die bereits strukturiert arbeiten.
Wichtig: Der finale Wortlaut wird erst mit Abschluss des EU-Verfahrens feststehen. Inhaltlich ist die Richtung aber eindeutig: Mehr Qualitätssicherung, weniger Schlupflöcher.
Was heißt das für Händler und Privatverkäufer?
1) Planen Sie Nachweise als Kostenelement ein.
Ein HU-Termin oder ein neutrales Gutachten verursacht Aufwand – erhöht aber Preis, Reichweite und Rechtssicherheit. Im Controlling gehören diese Kosten in die Export-Stückkalkulation (Material/Leistung, Gebühren, Zeit).
2) Bauen Sie eine saubere Fahrzeugakte.
Service-Historie, Mängellisten, Fotos, Reparaturbelege, Emissionsdaten (bei BEV: Batterie-SoH) – alles in einem Paket. Das senkt Rückfragen, verkürzt Zollprozesse und hebt die Konversionsrate im Zielmarkt.
3) Standardisieren Sie Prozesse.
Checklisten für Ankauf, Prüfung, Dokumentation, Abmeldung, Ausfuhr, Zoll, Transport. Ein Standard-Operating-Procedure (SOP) reduziert Fehler und macht Ergebnisse skalierbar.
4) Preisstrategien nach Zielmarkt ausrichten.
Nicht jeder Markt honoriert die gleichen Merkmale. In manchen Ländern sind kleine Motorisierungen und geringe Laufleistungen begehrt; anderswo zählen Robustheit und Ersatzteilverfügbarkeit. Das gehört in die Preislogik (z. B. Zielmargen je Region/Modell).
5) Risiken managen.
Bei Exporten ohne HU steigt das Rechts- und Reputationsrisiko. Ein schriftliches, neutrales Gutachten minimiert Streitfälle – und wird ab 2026 aller Voraussicht nach regulatorisch erforderlich.
Controlling-Perspektive: KPIs, Margenhebel, Compliance
Für die Veröffentlichung auf controlling.net lohnt der Blick auf Kennzahlen und Steuerung:
- Deckungsbeitrag je Fahrzeug (DB I–III): Einkaufswert, Aufbereitungs-/Gutachterkosten, Gebühren (Zulassung, Kennzeichen), Logistik, Zoll, Markt- und Zahlungsgebühren, Währungs- bzw. Transferrisiken.
- Standzeit & Cash Conversion: Jeder Tag kostet Marge (Kapitalbindung, Stellflächen, Versicherung). Saubere Dokumente und planbare Logistik verkürzen die Durchlaufzeit.
- Conversion-KPIs: Verhältnis Angebote/Anfragen, Anfragen/Verkäufe, Verkäufe/Abwicklungen. Ein kompletter Nachweissatz steigert die Trefferquote.
- Qualitätsquote: Anteil Fahrzeuge mit sofortiger Zulassungsfähigkeit im Zielmarkt. Steigt mit HU/Gutachten und guter Aufbereitung – und sinkt die Retourenquote.
- Compliance-Score: Erfüllung von Zoll-, Steuer- und Dokumentationsanforderungen. Ab 2026 wird dieser Score zum Wettbewerbsvorteil, weil Kontrollen effizienter durchlaufen werden.
Best Practice: Legen Sie pro Fahrzeug eine digitale Akte an (PDF-Bündel oder DMS): ID-Nachweis, Besitzkette, HU-Bericht oder Gutachten, Fotodoku, Kaufvertrag, Abmelde-/Ausfuhrpapiere, Frachtbrief. Jede Nachforderung kostet Zeit – und senkt den DB.
Schritt-für-Schritt: So bereiten Sie einen Export 2025/2026 vor
- Technische Bewertung: Sichtprüfung, Probefahrt (wenn möglich), Schnellcheck sicherheitsrelevanter Komponenten. Entscheidung: HU durchführen oder neutrales Gutachten einholen.
- Dokumente sammeln: Zulassungsbescheinigungen, Identitäts-/Eigentumsnachweise, Service- und Reparaturbelege.
- Kosten kalkulieren: HU/Gutachter, Zulassung/Schilder, Transport (Inland & Grenze), ggf. Zoll, Versicherungen, Zahlungswege.
- Zielmarkt-Compliance prüfen: Altersgrenzen, Emissions-/Abgasnormen, lokale Steuern, Registrierungsauflagen.
- Abmeldung & Exportkennzeichen: Mit gültiger HU Ausfuhrkennzeichen beantragen; ohne HU Transport per Trailer oder Spedition organisieren – und Gutachten mitführen.
- Zoll-/Exportabwicklung: Bei Drittländern elektronische Anmeldung, Ausfuhrbegleitdokumente, ggf. Präferenznachweise.
- Nachverfolgung & Archivierung: Digitale Akte abschließen; Belege für Steuer-/Zollprüfungen vorhalten.
Fazit: Qualität statt Kompromisse – und rechtzeitig umstellen
Der EU-Autoexport bleibt auf Jahre ein tragfähiger Absatzkanal. Der steigende Altersdurchschnitt im Bestand, stabile Auslandsnachfrage und robuste Exportwerte sprechen dafür. Gleichzeitig verschärft die EU ab 2026 die Beweis- und Dokumentationspflichten: Ein Verkauf/Export ohne TÜV wird nur mit neutralem technischem Gutachten möglich sein, das eindeutig belegt, dass das Fahrzeug kein Altfahrzeug ist. Wer seine Prozesse jetzt auf Nachweis- und Qualitätsorientierung trimmt, profitiert doppelt: höhere Preise und schnellere, revisionssichere Abwicklung.
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